Wir haben Klassen bisher als Mittel zur Schaffung übersichtlichen Codes kennengelernt: Mit ihrer Hilfe werden zusammmengehörige Daten gebündelt und mit den Methoden verwoben, die auf ihnen operieren. In diesem Kapitel lernen wir, wie Klassen uns helfen, Doppelungen im Code zu vermeiden. Sie helfen uns, bereits existierenden Code - auch den anderer Programmierer - einfach zu erweitern.
Erinnert Ihr Euch an die Buntstift-Klasse aus dem Kapitel über Konstruktoren? Wir wollen eine StiftNeu
-Klasse erstellen, die nicht nur farbig schreiben kann, sondern - wahlweise - auch in Großschrift. Dazu wollen wir die Klasse Buntstift
verwenden, ohne sie zu verändern.
Warum stellen wir die erschwerende Forderung an uns, die Klasse Buntstift
nicht zu verändern? Das wäre doch der einfachste Weg!
Buntstift
zwei verschiedene erweiterte Klassen erstellen. Dann haben wir im fertigen Programm den Programmcode der Klasse Buntstift
dreimal in sehr ähnlicher Ausprägung im Arbeitsspeicher. Und falls im Programmcode der Klasse Buntstift
ein Fehler gefunden wird, müssten wir ihn an drei verschiedenen Stellen verbessern.
In einem ersten Schritt erstellen wir die Klasse StiftNeu
ohne Inhalt, geben bei der Klassendefinition aber an:
class StiftNeu extends Buntstift { }
stift.schreibe(„Hallo Welt!“)
nicht zu einem Fehler, obwohl die Klassendefinition der Klasse StiftNeu
(Zeile 4 - 6) doch ganz leer ist?StiftNeu
im Programm kurz verharren bis sich der Tooltip mit der Klassendefinition öffnet. Woher kommen die ganzen Attribute und Methoden?
Mithilfe des Schlüsselwortes extends
kann man eine neue Klasse erstellen, die alle Methoden und Attribute einer anderen Klasse „erbt“. Im Beispiel sorgt die Definition
class StiftNeu extends Buntstift { }
dafür, dass die Klasse StiftNeu
alle Methoden und Attribute der Klasse Buntstift
enthält.
Die neue Klasse, die von der bestehenden Klasse erbt, nennt man Unterklasse, die andere Oberklasse. Wegen er englischen Fachbegriffe child class und parent class sind auch die Begriffe Kindklasse und Elternklasse gebräuchlich.
Wir haben bisher also eine „Kopie“ der Klasse Bunstift
erstellt. Jetzt wird's interessant: Wir erweitern die Klasse StiftNeu
, indem wir in die Klassendefinition zusätzliche Attribute und Methoden setzen:
Da hab' ich Euch jetzt viel Neues zugemutet. Wir gehen alles schrittweise durch:
Schauen wir uns den Konstruktor der Klasse StiftNeu
an:
public StiftNeu(Color farbe, boolean großschreibung) { super(farbe); this.großschreibung = großschreibung; }
Da StiftNeu
alle Methoden und Attribute (also die gesamte Funktionalität) der Klasse Buntstift
erbt, muss sichergestellt werden, dass beim Erzeugen von StiftNeu
-Objekten immer ein Konstruktor der Klasse Buntstift
aufgerufen wird. Das erledigen wir durch den Aufruf super(farbe)
. super
steht dabei immer für die gleichnamige Methode der Oberklasse.
In Java muss jeder Konstruktor einer Unterklasse als erste Anweisung den Aufruf eines Konstruktors der Oberklasse enthalten. Dies wird mithilfe des Schlüsselwortes super
erreicht.
Die Methode public void schreibe(String text)
hat dieselbe Signatur (d.h. Bezeichner, Parametertypen und Typ des Rückgabeparameters) wie die gleichnamige Methode der Oberklasse Buntstift
. Nach außen hin ist daher nur noch diese neue Methode sichtbar, nicht mehr die der Klasse Buntstift
. Man sagt: Die Methode überschreibt die gleichnamige Methode der Oberklasse. In der Methode selbst können wir die gleichnamige Methode der Oberklasse aber durchaus aufrufen. Dazu benutzen wir wieder das Schlüsselwort super
:
public void schreibe(String text) { if(großschreibung) { text = text.toUpperCase(); } super.schreibe(text); }
StiftNeu
ausgeführt wird und wann Code aus der Oberklasse Buntstift
.
Rechts siehst Du das UML-Diagramm der Klassen. Die Vererbung wird durch eine Linie von StiftNeu
zu Bunststift
symbolisiert, die in einen „Pfeil“ in Dreiecksform mündet.
Erinnerung: Die durch die Raute symbolisierte Relation von Buntstift
zu Color
ist eine Aggregation: Die Klasse Buntstift
besitzt nämlich ein Attribut farbe
der Klasse Color
.
Starte das Programm und regle die Geschwindigkeit langsam hoch!
Damit die Seite nicht zu lange wird, findest Du die ausführliche Erklärung dieses Programms auf einer extra Seite.
Auf dem nebenstehenden Diagramm habe ich die (sehr zahlreichen!) Attribute und Methoden der Klassen Rectangle
, FilledShape
, Shape
und Actor
ausgeblendet, damit es übersichtlich bleibt. Die Vererbungshierarchie ist schön zu sehen:
FlyingRectangle
ist Unterklasse von Rectangle
Rectangle
ist Unterklasse von FilledShape
(wie bspw. auch Circle
und Polygon
)FilledShape
ist Unterklasse von Shape
Shape
ist Unterklasse von Actor
Programmiere ein Sternenfeld, so wie es rechts im Video zu sehen ist:
isOutsideView()
der Klasse Circle
), dann wird er vernichtet (Methode destroy()
der Klasse Circle
)
Die Programmiersprache stellt bisher nur Objekte zum Zeichnen von Rechtecken, Kreisen, Polygonen und Sprites zur Verfügung. Ich zeige Dir, wie man durch Erweiterung der Klasse Polygon leicht weitere Objektklassen erstellen kann. Im Folgenden entwickeln wir eine Klasse „Raute“.
Die Programmiersprache stellt bisher nur Objekte zum Zeichnen von Rechtecken, Kreisen, Polygonen und Sprites zur Verfügung. Ich zeige Dir, wie man durch Erweiterung der Klasse Polygon leicht weitere Objektklassen erstellen kann. Im Folgenden entwickeln wir eine Klasse „Stern“.
Wir wollen einen Stern mit $n$ Außenzacken zeichnen. Dazu brauchen wir die Koordinaten $(mitte_{x}, mitte_{y})$ seines Mittelpunkts, den Außenradius $r_{außen}$ (d.h. den Abstand der äußeren Zacken vom Mittelpunkt) und den Innenradius $r_{innen}$ (d.h. den Abstand der inneren Zacken des Sterns vom Mittelpunkt).
Im Beispiel oben hat der Stern 5 Außenzacken (d.h. $n = 5$). Denke Dir eine Halbgerade, die im Mittelpunkt des Sterns beginnt und nach rechts zeigt. Sie geht durch den ersten Außenzacken des Sterns. Drehen wir sie um den Mittelpunkt des Sterns nach links, so überstreicht sie nach $360°/10 = 36°$ den ersten Innenzacken, nach $2 \cdot 36° = 72°$ den zweiten Außenzacken usw. .
Der i-te Zacken erscheint also beim Winkel $i*36°$. Zur Berechnung seiner Koordinaten sieh' Dir oben das rechtwinklige Dreieck mit der roten und grünen Kathete an. Um die Koordinaten des zweiten Zackens zu berechnen muss die grüne Kathete zur x-Koordinate des Mittelpunkts addiert werden, die rote Kathete zur y-Koordinate:
$$ x = mitte_{x} + cos(i*36°)*radius $$
$$ y = mitte_{y} + sin(i*36°)*radius $$
Im Fall einer Außenzacke (gerades i, also i % 2 == 0
) setzen wir für $radius$ den Außenradius, im Fall einer Innenzacke den Innenradius. Die Zacken fügen wir dem Polygon mit der Methode addPoint
hinzu.
Auf dem nebenstehenden Diagramm habe ich die (sehr zahlreichen!) Attribute und Methoden der Klassen Polygon
, FilledShape
, Shape
und Actor
ausgeblendet, damit es übersichtlich bleibt. Die Vererbungshierarchie ist schön zu sehen:
Stern
ist Unterklasse von Polygon
Rectangle
ist Unterklasse von FilledShape
(wie bspw. auch Circle
und Polygon
)FilledShape
ist Unterklasse von Shape
Shape
ist Unterklasse von Actor
Jetzt wollen wir unsere neue Klasse natürlich „richtig“ anwenden und viele Sterne zeichnen:
Das Beispiel „Feuerwerk“ findest Du hier.